“Ich finde das absolut unwürdig für ein so reiches Land wie Deutschland”

| April 27, 2023|Categories: Geldanlage, Happiness|

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ubiMaster-Gründerin Jana Krotsch verrät im LEADERSNET-Interview, wie sie es schaffen will, den Zugang zu Bildung gerechter zu machen, was KI in der Wissensvermittlung nicht kann und erzählt über den gerade erfolgten Marktstart in Österreich sowie die weiteren Expansionspläne.

Jana Krotsch blickt auf eine langjährige Karriere in der Unternehmensberatung und in der Finanzdienstleistung zurück. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin des Nachhilfeanbieters ubiMaster und strebt eine internationale Expansionsstrategie an. Rückendeckung holte sie sich dabei vom amerikanischen Venture Capitalist Owl Ventures, welcher als Lead Investor bei Krotschs Unternehmen einstieg. Hinzu kommen Auxxo Investments und die zwei Business Angels Ina Schlie und Stephanie Bschorr. ubiMasters Ziel ist es, Bildung für alle Kinder – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft – gerecht und einfach zugänglich zu machen.

LEADERSNET: Sie blicken auf eine erfolgreiche berufliche Karriere in der Beratung und im Finanzdienstleistungsbereich zurück. Wie kam es dann zu ubiMaster? Und für diejenigen, die es nicht wissen, was bedeutet ein Online-Business im Bereich der Pädagogik aufzubauen, können Sie das kurz schildern?

Krotsch: Ich bin Mutter von drei schulpflichtigen Kindern und da läuft es in der Schule nicht immer so wie es soll. Wenn wir Nachhilfelehrer engagiert hatten, war es immer ein enormer Aufwand für uns mit Suche, Buchung, Terminverschiebung, Bezahlung etc. Also sagte ich mir: “Es muss doch einfacher und günstiger gehen im 21. Jahrhundert.” Das Ergebnis meiner Überlegungen ist ubiMaster – Lernunterstützung so einfach, so günstig und unbegrenzt vergleichbar mit Flatrate-Modellen, die wir alle aus anderen Bereichen kennen.
 Natürlich ist das im Bildungsbereich etwas schwieriger als bei Handyverträgen, Musik oder Filmen, da es unser Anspruch ist, immer und sofort einen qualifizierten Nachhilfelehrer für die Schüler bereitzustellen. Dabei spielt nicht nur das Kapazitätsmanagement eine entscheidende Rolle, sondern auch die Sicherstellung einer hohen Qualität der Lehre.

LEADERSNET: Was sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Fehler, die in der Vermittlung von Wissen an unsere Kinder gemacht werden? Was sollte sich im Bildungswesen ändern?

Krotsch: Wissen ist wichtig für die Kinder, aber noch wichtiger sind die Fähigkeiten, das Wissen zu systematisieren, zu bewerten oder zu analysieren. Kinder können heute bereits nahezu alle Wissensthemen im Internet recherchieren – mit den aufkommenden KI-Lösungen wird das zukünftig noch einfacher werden. Was das Internet und die Künstliche Intelligenz (KI) aber nicht können, ist die Kinder neugierig zu machen, zu motivieren, Ansätze und Ausblicke zu bieten, wie das Wissen eingesetzt und erweitert werden kann. Das wünsche ich mir noch viel mehr von den Schulen und Lehrern, nicht nur das Wissen einzupauken sondern Kompetenzen bei unseren Kindern aufzubauen.

LEADERSNET: Sie holten internationale Investoren an Board und Business Angels? Was für Erfahrungen haben Sie mit diesen Finanzierungsvarianten gemacht? Was sind die Vorteile gegenüber klassischen Finanzierungen? Was ist der Status-quo Ihres Unternehmens?

Krotsch: Als junges Unternehmen mit viel Vision und noch vergleichsweise geringem Umsatz und Gewinn bleibt häufig nur die Wahl zwischen langsamen und organischen Wachstum aus eigenen Mitteln oder beschleunigtem Wachstum über Risikokapital. Klassische Finanzierungsformen wie Bankkredite oder Anleihen scheiden von vornherein aus. Venture Capital als Finanzierungsform ist dabei auf einer Linie mit den Unternehmensgründern: die Vision in die Wirklichkeit umzusetzen und stark zu wachsen. Genau das tun wir bei ubiMaster mit der Unterstützung unserer Investoren und sind damit auf einem sehr guten Weg.

LEADERSNET: 2022 erfolgte bei vielen Tech-Unternehmen und Unicorns wie Klarna oder Bitpanda aufgrund der harten Wirtschaftslage Personalabbau. Wie sieht für ubiMaster derzeit die wirtschaftliche Lage aus? Welche aktuellen Entwicklungen beobachten Sie im Online-Bildungssektor? Konkurrenten haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen und müssen derzeit viele Mitarbeiter entlassen …

Krotsch: Auch wir haben die Inflation und die Rezessionsangst vor allem im Q4 2022 gespürt. Einige unserer Unternehmenskunden sahen sich mit derart hohen Kostensteigerungen – zum Beispiel der Energiekosten–  konfrontiert, dass unser Geschäft etwas langsamer gewachsen ist. Auf der anderen Seite wollten viele Unternehmen ihre Mitarbeitenden in dieser schweren Zeit unterstützen und haben auch auf unsere Services zurückgegriffen.

LEADERSNET: Gibt es einen gewissen Prozentsatz an Eltern, der sagt, sie können sich ubiMaster nicht mehr leisten?

Krotsch: Nein, wir fokussieren vor allem auf Unternehmen, die unsere Bildungs-Dienstleistungen als Mitarbeiter-Benefit oder als Zusatzleistung für ihre Produkte einsetzen. Auch Stiftungen und Schulen zählen wir zu unseren Kunden. Diese Unternehmen oder Institutionen zahlen für die Bildungsleistungen und alle berechtigten Familien und Schüler können die Leistungen dann in Anspruch nehmen. Deshalb sagen wir auch “Bildung für alle” und eben nicht nur für die, die es sich (noch) leisten können!

LEADERSNET: Gibt es schon Lernbetreuer, die von den Einnahmen von ubiMaster leben können? Im Schnitt verdienen diese pro Lerneinheit im deutschsprachigen Raum lediglich 15 Euro.

Krotsch: Unsere Lehrer üben die Beschäftigung bei uns meist in Teilzeit aus und haben noch andere Beschäftigungen. Das einzigartige bei uns ist, dass die Lehrer sich für ihre Schichten flexibel eintragen können und für diese auch bezahlt werden. Sie brauchen also nicht darauf zu warten, dass sie für eine Stunde gebucht werden oder eben nicht.

LEADERSNET: ubiMasters Ziel ist es, Bildung für alle Kinder, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, gerecht und einfach zugänglich zu machen. Das hört sich in erster Linie utopisch an. Wir alle wissen, dass das Bildungssystem nicht gerecht ist und entferntere soziale Schichten viel mehr Hürden zu bewältigen haben, um denselben Bildungsabschluss zu machen, wie Kinder aus besserem Hause. Wie wollen Sie dagegen angehen?

Krotsch: In der Tat geht es derzeit alles andere als gerecht zu. In Deutschland machen ca. 80 Prozent der Kinder aus wohlhabenden Familien die Hochschulreife, aber nur 20 Prozent der Kinder aus sozial schwachen Familien. Ich finde das absolut unwürdig für ein so reiches Land wie Deutschland. ubiMaster Lernunterstützung wird größtenteils von Unternehmen, Stiftungen und Schulen gezahlt – und zwar immer für alle Mitarbeiter, Stiftungs-Stipendiaten oder Schüler – unabhängig vom Einkommen der Eltern, quasi vom Kind des Vorstands bis zum Kind der Küchenhilfe. Somit erhaltene alle den gleichen Zugang zu privater außerschulischer Lernunterstützung.

LEADERSNET: Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG)? Was trägt Ihr Unternehmen dazu bei?

Krotsch: Der ESG-Kodex spielt dabei eine wichtige Rolle: Wir bieten den Unternehmen, das “S” in ESG mit unseren Leistungen positiv zu belegen. Die ubiMaster-Lernunterstützung stärkt den sozialen Impact der Unternehmen und fördert Bildung, Kinder und damit die Zukunft – Nachhaltigkeit pur.

LEADERSNET: Haben Sie weitere Pläne in andere Länder zu expandieren? Was halten Sie dabei von den USA, den Osten oder Asien? Welche Marketing-Strategie verfolgen Sie? Was ist hier sinnvoll und wie messen Sie die Outcomes?

Krotsch: Ja, wir expandieren stark in weitere Märkte. Am 1. April ist unser Marktstart in Österreich erfolgt, Mitte dieses Jahres planen wir in die Schweiz und nach Frankreich zu gehen. Wir folgen dabei unseren Unternehmenskunden, die unsere Leistungen ihren Mitarbeitern in möglichst vielen Märkten anbieten wollen. Insofern ist der outcome für uns einfach ermittelbar: wie viele Unternehmen und Institutionen können wir in den Märkten unterstützen. Die USA sind natürlich ein sehr interessanter Markt, den wir gemeinsam mit unserem US-Investor anschauen, da ist aber noch nichts entschieden.

LEADERSNET: Das Leben als Unternehmerin muss doch nun ein ganz anderes sein, als Ihr vorhergehendes als Managerin in der Beratung und im Finanzwesen. Was ist das Schöne an Ihrem neuen Leben und was vermissen Sie an Ihrer vorhergehenden beruflichen Tätigkeit?

Krotsch: Das Schöne ist wirklich, dass ich weitestgehend selbstbestimmt agieren und Ideen umsetzen kann und damit etwas Eigenes und Neues schaffe. Aber natürlich gibt es auch Tage, an denen ich mir die geregelten Arbeitszeiten in einem Großunternehmen zurückwünsche.

LEADERSNET: Denken Sie an Dinge wie Geldanlage und Vorsorge für das Alter und wie ist Ihr Zugang dazu? Bei der derzeitigen Inflation halbieren sich Ersparnisse und Spareinlagen innerhalb weniger Jahre. Was sind Ihre sicheren Häfen und Wertanlagen?

Krotsch: Das ist ein großes Thema auch für mich. Insbesondere, da ich in den letzten Jahren auch Zeiten hatte, in denen ich nichts verdient habe und auch nicht vorsorgen konnte. Mein Investitionsfokus liegt auf Sachwerten, wie Immobilien und Flächen – da bin ich vor Wertminderung relativ sicher.

LEADERSNET: Was ist der beste Ratschlag, den Sie für ihre berufliche Laufbahn und Ihr Leben je erhalten haben und was ist die wichtigste Lektion, die Sie aus all dem gelernt haben?

Krotsch: “Fördern und fordern gehören zusammen.” Das heißt, man kommt nicht weiter, wenn man keine Herausforderungen bekommt. Das gilt für Kinder genauso wie für Erwachsene jung und alt.

LEADERSNET: Erzählen Sie mir etwas von Ihren Lieblingsbüchern. Was lesen Sie gerade?

Krotsch: Leider bleibt mir neben Beruf und Familie nicht mehr so viel Zeit zum Lesen wie früher. Gleichzeitig hilft mir lesen beim Abschalten. Ich habe gerade “Der Alchimist” von Paulo Coelho gelesen – eine wirklich bewegende und inspirierende Geschichte. Hier geht es darum, dass wir unser Leben nicht träumen, sondern den eigenen Traum leben sollen.

LEADERSNET: Wenn also auf Ihre Karriere zurückblicken, was würden Sie sagen, war Ihr größtes Glück?

Krotsch: Immer Herausforderungen zu bekommen. Das fing in meiner Zeit in der Unternehmensberatung an, setzte sich fort in meiner Zeit im Asset Management und der Rückversicherung und gilt erst recht jetzt als Gründerin und Geschäftsführerin.

LEADERSNET: Was wissen Sie heute über das Leben bzw. den Bildungsbereich, was Sie gerne bereits vor 20 Jahre darüber gewusst hätten wie Sie damit angefangen haben?

Krotsch: Jede Veränderung braucht eine Idee oder Vision, einen systematischen Ansatz zur Umsetzung und unendlich viel Ausdauer.

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