Unbewusstes oder bewusstes Verhalten – Die Evolution und ihre Auswirkungen auf unser Verhalten

| January 24, 2022|Categories: Finanzmärkte, Geldanlage|

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Während meiner langjährigen Erfahrung in der Geldanlage habe ich erlebt, wie Anleger und Investoren viele kostspielige Fehler machten. Diese Fehler wurden aus einer Vielzahl von Gründen gemacht, einschließlich mangelnder Kenntnisse. Einige wurden jedoch einfach deshalb gemacht, weil Anleger als Menschen anfällig für Verhaltensfehler sind. Zum Beispiel haben Anleger eine starke Tendenz, sich ihrer Fähigkeiten zu sicher zu sein. Selbstüberschätzung kann zu vielen Fehlern führen, einschließlich übermäßiger Risikobereitschaft. Um Ihnen zu helfen, solche Fehler bei Ihrem Anlageverhalten zu vermeiden, gehen wir auf einige wenige dieser Verhaltensverzerrungen näher ein.

Die Evolution und ihre Auswirkungen auf unser Verhalten

Die Anfänge der Evolution begannen vor ca. vier bis sieben Millionen Jahren. Unsere Vorfahren verbrachten den Großteil ihrer Zeit als Jäger und Sammler. Daraus kann gefolgert werden, dass ein erheblicher Teil unseres Investitionsverhaltens von Mechanismen gesteuert wird, die aus einem Zeitraum stammen, in welchem es um das nackte Überleben ging. Muster, die unser Verhalten beeinflussen (u.a. Konfrontation, Kampf, Angriff, und Flucht), wirken sich auch heute noch auf das Investmentverhalten und auf die Kapitalmärkte aus. Negative Verhaltensweisen, die häufig von Emotionen getragen werden, sollten in der Vermögensveranlagung jedoch keinen Platz finden.

Schon lange ist bekannt, dass sich Anleger und Investoren um Verluste bzw. Gewinne sorgen, über deren Höhe jedoch weit weniger Gedanken machen. Untersuchungen zeigten, dass Menschen Verluste erheblich negativer empfinden als Gewinne positiv. Sie versuchen eher Verluste zu vermeiden, als Gewinne zu erwirtschaften. Das soll heißen, dass wir mehr Angst haben zu verlieren als Freude am Gewinnen. Daniel Kahneman (Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften) und Amos Tversky führten im Hinblick auf die Verlustaversion eine Vielzahl von Untersuchungen durch. Es wird vermutet, dass Verluste deshalb schwerer auf uns wiegen, da ein asymmetrisch evolutionärer Druck auf uns lastet. Für jemanden, der ums Überleben kämpft, kann die vergebliche Suche nach Nahrung zum Tod führen (die entgangene Beute, der Verlust), während der Gewinn einer zusätzlichen Mahlzeit nicht einen zusätzlichen „Lebenstag“ verspricht.

Diese Verlustaversion steht in enger Verbindung mit dem Status-Quo-Bias (Status quo wird gegenüber Veränderungen vorgezogen) und dem Besitztumseffekt (wir messen Dingen mehr Wert zu, welche wir besitzen, als solchen, welche wir nicht besitzen), welche ebenso Verzerrungserscheinungen zuzuordnen sind. Diese Verhaltensverzerrungen treten bei Erbschaften und ebenso bei Vermögenswerten auf, die auf andere Art und Weise übernommen wurden. Es wird der gegenwärtige Zustand gegenüber anderen vorgezogen, da mit Handlungen Risiken (psychologische) verbunden werden. Herabwürdigung und Ansehensverluste sollen daher um jeden Preis vermieden werden.

Diese negativen Effekte erklären auch ein Stück weit, warum Sparer Milliarden auf der „hohen Kante“ haben und die Scheu vor anderen Veranlagungsformen (Anlageklassen und Wertpapiere) groß ist. „Sparern“ entgehen damit Milliarden. Obwohl Spareinlagen weit unter der Inflation liegen (die Tendenz zeigt sich in ganz Europa) und reale Verluste (nach Inflation) in Kauf genommen werden, tun sie dies, um Verluste durch den Kauf von anderen Veranlagungsformen (Wertpapiere, Anleihen) zu vermeiden. 80 Prozent des neu angelegten Geldes werden in Österreich in Spareinlagen veranlagt. Lediglich ein Bruchteil des Gesamtvermögens entfällt auf Anlageklassen. Die Geschichte lehrt uns jedoch, dass es zu fortwährenden Preissteigerungen kommt (bei 3,5 Prozent Inflation sinken die Ersparnisse nach 20 Jahren um die Hälfte).

Das Vernachlässigen von Informationen kann ein Stück weit erklären, warum sich Menschen, Familien, Anleger und Sparer so verhalten und ihnen so Milliarden an Euros entgehen. Informationen werden zumeist einfach nicht beachtet oder noch schlimmer − falsch gedeutet. Es wird in diesem Zusammenhang häufig auch von der Vernachlässigkeits-Heuristik gesprochen. Die Welt in der wir leben, das Arbeitsumfeld und viele andere Bereiche in welchen wir uns wiederfinden, sind voll von Informationen, die uns beeinflussen. In welchem Kontext diese Informationen eingebettet sind oder die Reihenfolge, in der wir Informationen verarbeiten, kann dabei eine wichtige Rolle bei deren Wahrnehmung spielen. So kommt es dazu, dass in weiterer Folge Informationen selektiver aufgenommen werden. Die Tendenz der Menschen, denjenigen Personen mehr Beachtung zu schenken, die unserer Meinung sind, verstärkt dies noch weiter. Wenn andere mit unserer Meinung übereinstimmen, sind wir gerne mit ihnen in Gesellschaft. Genauso wie wir uns eher Medien zuwenden, die unsere politische Einstellung teilen. Wenngleich dies die Voreingenommenheit noch weiter stärkt.

Der Wunsch überdurchschnittlich zu sein

Die überwiegende Mehrzahl der Fondsmanager erzielen keine besseren Leistungen als ihr Vergleichsindex (= der Durchschnitt). Davon sind zumeist über 90 Prozent der Fondsmanager und das quer über die verschiedenen Fondskategorien hinweg betroffen (kleine, mittlere, große und bestimmte Regionen als auch Branchen). Die Dunkelziffer dürfte noch viel höher sein, da erfolglose Fonds mit der Zeit vom Markt genommen oder mit anderen erfolgreicheren Fonds zusammengeführt werden. Die Anleger sind folglich viel schlechter gestellt, wenn sie mit diesen investieren. Warum glauben auch Fondsmanager, dass sie besser als der Markt sind? Hier kommt wieder das Verhalten ins Spiel. Einer der Hauptgründe ist eine falsche Selbsteinschätzung bzw. Selbstwahrnehmung. Fondsmanager, Anleger und Investoren schätzen sich viel besser ein, als sie es tatsächlich sind. Die Erwartungen und die Realität klaffen dabei sehr weit auseinander. Aber dies ist nicht nur auf dem Finanzsektor zu beobachten. Denken wir beispielsweise an Autofahrer. Studien zeigen, dass die meisten Menschen glauben (über 70 Prozent) überdurchschnittlich gute Fahrzeuglenker zu sein und dabei weniger Fehler als andere Autofahrer zu machen. Jedoch liegt es auf der Hand, dass es schon aufgrund der Mathematik nicht möglich ist, damit 70 Prozent besser als der Durchschnitt sind.

Übermäßiges Vertrauen in unsere Fähigkeiten kann in gewisser Weise ein sehr gesundes Attribut sein. Es gibt uns ein gutes Gefühl für uns selbst und schafft einen positiven Rahmen, mit dem wir die Erfahrungen des Lebens meistern können. Leider kann es zu Anlagefehlern führen, wenn wir uns in Bezug auf unsere Anlagefähigkeiten zu sehr sicher fühlen, über dem Durchschnitt zu liegen. Selbstüberschätzung führt zu unrealistischem Optimismus und Anleger werden dazu veranlasst, ihre Portfolios in eine Handvoll Anlagemöglichkeiten zu konzentrieren, anstatt die Vorteile der Diversifizierung zu nutzen.

Lehren vs. Lernen

Als Menschen machen wir alle möglichen Verhaltensfehler. Daher sollte es keine Überraschung sein, dass wir diese ebenso bei der Geldanlage machen. Mein Buch „Fehler und Risiken die alle Anleger und Investoren begehen“ widmet diesem Umstand ein ganzes Kapitel. Verhaltensverzerrungen zeigen sich auch eindringlich daran, dass über die letzten 20 Jahre der durchschnittliche Anleger rund zwei Prozent Rendite erwirtschafte und dies bei einem Durchschnitt von acht Prozent, welche bestimmte Anlageklassen insgesamt erzielt hätten. Diese große Differenz lässt sich mit dem Verhalten der Anleger erklären. Sie tendieren dazu zu kaufen, wenn Märkte sehr gute Erträge erbrachten und zu verkaufen, wenn Märkte sehr schlechte Renditen erzielt haben.

Die unglückliche Wahrheit ist, dass Lektionen leichter zu lehren als zu lernen sind. Kluge Menschen sind bescheiden und in der Lage zuzugeben, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Tatsächlich freuen sie sich, zu erfahren, dass sie einen Fehler gemacht haben, weil sie in Zukunft weniger falsch liegen werden. Sie wissen auch, dass sie ihre Fehler nicht wiederholen und dennoch unterschiedliche Ergebnisse erwarten können.

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