Wie Geld schrumpft: Der Schaden für Sparer

| January 25, 2022|Categories: Sparen|

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In seinem Buch über Sisyphos beschreibt Albert Camus eine Figur mit großer Weisheit. Der griechischen Mythologie zufolge hatten die Götter Sisyphos dazu verurteilt, einen Felsblock unablässig den steilen Berg hinaufzuwälzen, von dessen Gipfel der schwere Stein kraft seines eigenen Gewichts wieder hinunterrollte. Die Götter meinten nicht ganz ohne Grund, es gäbe keine grausamere Strafe als unnütze und aussichtslose Arbeit – so manch bravem Sparer geht es dieser Tage ähnlich.

Hart arbeitende Menschen
Einer der heimtückischen Aspekte der Inflation ist, dass eine Person, die mit ihren Ersparnissen überhaupt nichts unternimmt und beschließt, sie einfach unter ihrer Matratze aufzubewahren, im Durchschnitt jedes Jahr, ohne viel davon zu merken, automatisch an die zwei bis vier Prozent ihrer Ersparnisse verliert (manchmal auch mehr – es handelt sich dabei um Durchschnittswerte; die Inflation war in den 1970er-Jahren auch schon weitaus höher). Man kann sich darüber noch so beschweren, es wird sich daran nichts ändern. Um zu bestimmen, wie wir unser hart verdientes Geld investieren sollen, müssen wir einfach akzeptieren, dass das System so funktioniert, und die jeweilige Anlagestrategie anpassen, um damit umzugehen. Was passiert im Laufe der Zeit mit 100 Euro, wenn diese über 20 Jahre um vier Prozent an Kaufkraft verlieren? Von 100 Euro unter Ihrer Matratze sind nach 20 Jahren lediglich 46 Euro übrig bleiben. Wo sind die 54 Euro jedoch hin verschwunden? So genau weiß das niemand, Preissteigerungen für Produkte des täglichen Bedarfs sind jedoch eine der Möglichkeiten. Mit Sicherheit sind diese 54 Euro jedoch nicht mehr unter Ihrer Matratze – diese 54 Euro haben Sie bei mangelnder Veranlagung verloren. Man kann jeden Tag zur Arbeit gehen und denken, man sei ein hart arbeitender Kerl, man schafft sich etwas, spart alle seine Einnahmen, nur um zu erkennen, dass die Hälfte der Arbeit umsonst war.

Vergangenes und derzeitiges Zinsniveau
Ende Oktober ist Weltspartag. Dazu hörte ich erst letztens einen meiner Freunde sagen: “Das war doch früher viel besser.” In der Tat gibt es beim derzeitigen Zinsniveau nicht viel zu feiern. Zinsen von vier oder fünf Prozent gehören schon lange der Vergangenheit an. Die Zeiten unterliegen einem Wandel, nicht nur im Hinblick auf die Digitalisierung und darauf, dass immer weniger Kunden Banken besuchen, sondern ebenso betreffend die weltweite Zinslandschaft. Da der Einlagenzins in Europa auf Bankeinlagen bei minus 0,5 Prozent liegt (EZB), ist es immerhin noch eine gute Botschaft, dass die Zinssätze der Sparer nominal (noch) nicht in negative Territorien abgerutscht sind. Dennoch ist nach Inflation und den jährlichen Preissteigerungen eines sicher: Die eingezahlten Ersparnisse verlieren ohne Zinsen real jedes Jahr an Wert.

Weitere Geldpolitik
Die Inflation hat sich in letzter Zeit aufgrund mehrerer Faktoren beschleunigt, darunter steigende Nachfrage und der Kampf um Ressourcen in einigen Bereichen der Lieferkette. Der höhere Preisdruck könnte Aktien belasten, da die Inflation den Wert zukünftiger Unternehmensgewinne schmälert und zu einem Anstieg der Renditen von Staatsanleihen führen kann. Erst kürzlich sahen die USA Inflationsraten von über fünf Prozent – höher waren diese seit über zehn Jahren nicht mehr. Und auch die übrigen europäischen Staaten erleben höhere Inflationsraten. So rechnet die Statistik Austria mit knapp drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die gewaltigen Schuldenberge machen es erforderlich, dass Zentralbanken weiter lockere Geldpolitik betreiben. Wie hoch diese sein werden, darüber sind sich Ökonomen, Notenbankchefs und Analysten genauso uneins wie auch über eine Straffung oder weitere Lockerung der Geldpolitik. Sicher ist, dass die EZB mit ihrer derzeitigen Politik nicht einfach den Wind aus den Segeln nehmen kann, da die Wirtschaftsleistung noch unter dem Niveau der Jahre zuvor liegt und so das Wirtschaftswachstum einbremsen würde.

Schutz vor Inflation
Die Arithmetik macht deutlich, dass die Inflation eine weitaus verheerendere Steuer ist als alles, was von unseren Gesetzgebern erlassen wurde. Die Inflationssteuer hat die fatale Fähigkeit, angespartes Kapital schnell und einfach zu verbrauchen. Der Schlüssel für einen erfolgreichen Schutz in Zeiten hoher Inflation ist dabei nicht, die Zukunft vorherzusagen. Wir können diese nicht prognostizieren. Es ist vielmehr das Lernen aus der Vergangenheit und das Verstehen der Gegenwart.
Das bedeutet, es ist möglich, sich auf steigende Inflation vorzubereiten (wie auch auf steigendes/fallendes Wachstum und fallende Inflation). Somit ist eine Mischung von Anlageklassen zusammenzustellen, welche ausgewogen genug ist, um sich in diesem wirtschaftlichen Umfeld einträglich zu entwickeln und parallel dazu vor unakzeptablen Verlusten schützt. Wichtig dabei ist, im Kopf zu behalten, dass niemand über eine Kristallkugel verfügt (im Wissen, dass Ihnen das viele glaubhaft machen wollen). Sie können die Zukunft nicht vorhersagen und das “perfekte” Portfolio (die Aufteilung der unterschiedlichen Anlageklassen) wird erst rückblickend zum Vorschein gelangen. Sie können sich jedoch Ihre Risiken steuern und eine Vermögensaufteilung festlegen, welche sich in dem jeweiligen wirtschaftlichen Umfeld gut entwickelt. Die Vermögensaufteilung sollte demnach breit gestreut sein (diversifizieren), Risiken minimieren und sicherstellen, dass sich Ihre Vermögenswerte in unterschiedlichen wirtschaftlichen Umfeldern gut entwickeln, vor unakzeptablen Verlusten schützen und darüber hinaus robuste Anlagerenditen erzielen.

Einlagen steigen trotz negativer Zinsen
So mach braver Sparer muss sich dieser Tage so ähnlich fühlen wie Sisyphos zu Zeiten des antiken Griechenlands. Nur dass dieser aufgrund seiner Weisheit wusste, dass er unnütze Arbeit verrichtet. Viele Sparer wissen dies nicht. Wie sonst erklärt sich die Tatsache, dass das Gesamtvolumen an Spareinlagen seit 2011 von 209 auf zuletzt über 270 Milliarden Euro deutlich angestiegen ist, obwohl die Zinsen im selben Zeitraum kontinuierlich Richtung null gesunken sind? Der Schaden für die Sparer ist dabei immens.

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